Sexualität im Alter und welche Rolle die Hormone dabei spielen

Die Ursachen der sexuellen Dysfunktion / Unlust im Alter sind vielfältig. Eine entscheidende Rolle spielen die Hormone – bei Frau und Mann. Leider ist dieses Thema ein viel zu häufiges Tabu, denn: Sexualität ist wichtig, auch fürs gesunde Älterwerden.

People are getting old and that is not new!

Sexualität im Alter ist viel wichtiger als viele denken. Studien zeigen, dass ein erfülltes Sexualleben uns gesünder und älter werden lässt. Das ist – verkürzt – das Ergebnis der renommierten Longitudinal Amsterdam Aging Study. Auch in eine gesunde partnerschaftliche Beziehung zahlt ein erfülltes Sexualleben ein, um einen sogenannten Circulus vitiosus (Teufelskreislauf) zu vermeiden. Denn eine sexuelle Dysfunktion, also die mangelnde oder fehlende Erregung und/oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr führen oft zu Missverständnissen, Frustrationen und Schuldgefühlen. Am Ende versiegen die Intimitäten. Das Nachlassen oder Fehlen der ersehnten Intimitäten belastet die Kommunikation unter den Partnern und mündet in partnerschaftlichen Konflikten, die dann zu Erkrankungen führen. Diese Erkrankungen verstärken wiederum die sexuelle Dysfunktion. Ein echter Teufelskreislauf wie er gerade wieder in »Nature reviews« beschrieben wurde.

Leider haben wir es bei der Sexualität im Alter mit einem sogenannten Two Way Taboo zu tun. Auf der einen Seite trauen sich die Patienten häufig nicht, ihre Sexualität beim Arzt anzusprechen aus Angst vor einer abwertenden Beurteilung durch den Doktor - auf der anderen Seite fragen häufig die Ärzte aber auch ihre Patienten nicht danach, aus was für Gründen auch immer.

Sexualität ist aber wichtig, auch fürs gesunde Älterwerden. Durchschnittlich denken 80 % der Männer zwischen 50 und 90 Jahren häufig an Sex, knapp 50 % der Frauen zwischen 50 und 90 Jahren denken ebenfalls häufig an Sex. Das verraten die Untersuchungen des Arch Sex Behav 2016. Ein Beweis dafür, dass Sexualität auch im Alter wichtig ist. Natürlich nimmt die Sexualität mit dem Alter ab. So sind noch ca. 75 % der 55- bis 65-jährigen sexuell aktiv. Zehn Lebensjahre später sind aber nur die Hälfte der 65-jährigen bis 75-jährigen noch sexuell aktiv (N. Eng. J. Med 2008).

Die Ursachen der sexuellen Dysfunktion / Unlust im Alter sind vielfältig. Eine entscheidende Rolle spielen die Hormone – bei Frau und Mann. Neben hormonellen Gründen stellen körperliche Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus), Operationen (wie die Gebärmutterentfernung, Prostataoperationen) und psychosexuelle Erfahrungen (z. B. frühere sexuelle Erlebnisse, geschönte Selbstbilder, erreichte Lebensziele, Charakterausprägungen u.v.m) weitere wichtige Faktoren für die sexuelle Dysfunktion im Alter dar.

»Alter schützt vor Liebe nicht, aber Liebe vor dem Altern.«

Altersbedingter Hormonmangel bei der Frau

Die Häufigkeit der sexuellen Dysfunktion nimmt bei der Frau mit dem Alter zu. Während 3 – 6 % der Frauen prämenopausal über eine gestörte Sexualität berichten, steigt dieser Anteil auf bis zu 25 % in der Übergangszeit zur Menopause (Perimenopause) und 40 % in der Menopause. Sie sind also nicht allein…

Progesteronmangel = Blutungsstörungen:

  • Regelblutung zu schwach, zu stark, verlängert
  • Schmierblutungen
  • Brustschmerzen (Mastodynien)

Östrogenmangel = klimakterisches Syndrom:

  • Hitzewallungen
  • Herzrasen
  • Schweißausbrüche
  • Stimmungsschwankungen
  • Reizbarkeit
  • Depressionen
  • Trockenheit der Schleimhäute

All diese Faktoren beeinflussen die Sexualität. Anhaltende Schmierblutungen, überempfindliche, gespannte Brüste, trockene Scheidenschleimhäute führen zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und aufgrund des Missempfindens in der Folge zu einer Abwehrhaltung. Das ist nicht ungewöhnlich und nachvollziehbar, muss aber nicht sein. Denn neueste Hormontherapien mit den bioidentischen Hormonen behandeln erfolgreich alle aufgeführten Beschwerden. (Noch mehr Informationen dazu finden Sie in unserem aktuellen HRT Flyer)

Allein mit der Progesterongabe lassen sich Blutungsstörungen und Brustschmerzen gut behandeln. In der Kombination mit Östrogenen können erfolgreich auch typische Symptome der Menopause wie Hitzewallungen, Herzrasen, Schweißausbrüche und Stimmungsschwankungen bekämpft werden. Eine lokale Östrogentherapie kann zudem zur Wiederherstellung einer ausreichenden Befeuchtung der Vaginalschleimhaut führen.

Männliche Hormone bei der Frau und Sexualität

Beim Übergang in die Menopause kommt es zu einem altersabhängigen Abfall des Testosterons und des DHEA, des Power Hormons der Nebennierenrinde. Die männlichen Hormone bei Mann und Frau wirken direkt auf das limbische System, einer Funktionseinheit des Gehirns, die für Emotionen, Sexualität und Triebe verantwortlich ist.

Eine große Studie im sehr angesehenen Journal New England Journal of Medicine konnte zeigen, dass Testosteron bei Frauen die sexuelle Lust, Erregungsfähigkeit, Empfinden des Orgasmus, aber auch das Selbstbild signifikant verbessern konnte.

Umso erstaunlicher ist es, dass es derzeit kein einziges für die Frau zugelassenes Testosteronpräparat gibt. Über die Gabe von DHEA, einem Pro-Hormon der Nebennierenrinde, kann häufig der Testosteronspiegel angehoben werden. In seltenen Fällen hilft auch die Applikation eines transdermalen Testosterons, welches für den Mann zugelassen ist, in einer natürlich deutlich niedrigeren Dosierung. Eine solche Therapie sollte nur durch einen mit dieser Therapie erfahrenen Endokrinologen durchgeführt werden.

Hormonelle Ursachen der weiblichen Dysfunktion

  • Östrogen- / Progesteronabfall – systemisch: Blutungsstörungen, Hitzewallungen, Depressionen, Schlafstörungen
  • Östrogenabfall – lokal: Scheidenatrophie
  • Androgenabfall: Abnahme der sexuellen Lust, Erregung, limbisches System

Hormonelle Therapie der weiblichen Dysfunktion

  • Östrogen-/Progesteronabfall – systemisch: sytemische Hormonersatztherapie, transdermal, naturidentisch
  • Östrogenabfall – lokal: lokale Östrogentherapie, z. B. Östriol
  • Androgenabfall: 1. DHEA-Gabe, Prohormon, 5 – 15 mg / Tag, 2. transdermal Testosteron

Altersbedingter Hormonmangel beim Mann

Auch der Mann leidet wie die Frau unter einem altersabhängigen Hormonabfall, der im Gegensatz zur Frau jedoch schleichender und damit häufiger unerkannter verläuft.

Typische Symptome, die mit einem Abfall der männlichen Hormone beim Mann einhergehen:

  • Abnahme der sexuellen Lust
  • Erektile Dysfunktion
  • Energie- / Vitalitätsverlust
  • Depression, Stimmungsschwankungen
  • Antriebsarmut
  • Verlust des Selbstvertrauen
  • Konzentrationsstörung
  • Schlafstörung
  • Gewichtszunahme
  • Abnahme der Muskelmasse
  • Abnahme der Leistungsfähigkeit

Tatsächlich findet sich ein direkter Zusammenhang zwischen Gewichtszunahme, insbesondere des Bauchumfangs, und der Höhe des Testosteronspiegels. Je ausgeprägter die Gewichtszunahme und der Bauchumfang, desto niedriger sind die Testosteronspiegel. Lesen Sie hierzu auch unsere Broschüre »Übergewicht – Die ignorierte Pandemie.«.

Zusätzlich finden wir einen direkten Zusammenhang zwischen der Höhe des Testosteronspiegels und dem Schweregrad der Symptomatik: Je niedriger der Testosteronspiegel, desto ausgeprägter ist das Krankheitsbild. Das Diagramm zeigt eindrücklich, wie mit Abnahme des Testosteronspiegels die Beschwerden und auch die Gefahr systemischer Erkrankungen zunehmen.

Therapeutisch kommt daher der Gewichtsreduktion durch Umstellung der Ernährung (auch dazu haben wir einen Flyer erstellt) und Sport eine große Bedeutung zu. Bei nachgewiesenem Testosteronmangel sollte auch zur Prävention organischer Erkrankungen wie einem Altersdiabetes und einer Osteoporose eine Testosteron- Therapie erfolgen.

Eine Testosteron-Therapie mit einem bioidentischen, transdermalen (über die Haut aufgetragenen) Testosteron führt nachweislich zu einer verbesserten sexuellen Aktivität, in dem die Lust, aber auch die Erektionsfähigkeit (!) erhöht wird. Darüber hinaus finden sich positive Einflüsse auf depressive Stimmungen und durch Zunahme der Muskelmasse auch auf körperliche Aktivitäten. Altersdiabetes und Osteoporose lassen sich so wirksam vermeiden. Die Angst, durch eine Testosteron- Therapie ein Prostatakarzinom hervorzurufen, erwies sich als unbegründet. Jüngste Metaanalysen (also die Auswertung mehrerer Analysen) hierzu konnten keine Erhöhung der Prostatakarzinomhäufigkeit unter einer Testosterontherapie feststellen. (Literatur: J Clin Invest. 2021;131(4)).

Die erektile Dysfunktion

Die Häufigkeit der erektilen Dysfunktion nimmt mit dem Alter des Mannes deutlich zu. Fast die Hälfte aller Männer zwischen 50 und 60 Jahren leiden an einer erektilen Dysfunktion. Es finden sich häufig Begleiterkrankungen, die das Herz- Kreislauf-System betreffen. In diesem Zusammenhang spricht man von der »Hypothese der Arteriengröße«. Die Arterie im Penis hat den kleinsten Durchmesser und kann sich daher am schnellsten verschließen. Der Arterienverschluss bzw. die verminderte Durchblutung im Penis führt dann zu einer erektilen Dysfunktion. Dies kann bereits ein früher Hinweis auch auf mitbetroffene Herzkranzgefäße sein. Daher sollten Männer, die an einer erektilen Dysfunktion leiden, auch kardiologisch untersucht werden.

Therapeutisch kommen bei der erektilen Dysfunktion neben Testosteron bei nachgewiesenem Testosteronmangel auch Phosphodiesterasehemmer, wie z. B. Viagra, dem bekanntesten in dieser Medikamentengruppe, zum Einsatz. Diese führen zu einer Erweiterung der penilen Gefäße und damit zu einem vermehrten Bluteinstrom in den Penis und Erektion.

Die hormonellen Ursachen für die sexuelle Dysfunktion des Mannes sind vielfältig. Verschiedene Hormonachsen können betroffen sein. Deshalb sollte die Diagnostik und Therapie von einem hierauf spezialisierten und erfahrenen Endokrinologen durchgeführt werden.

Hormonelle Ursachen der männlichen, sexuellen Dysfunktion

  • Testosteronabfall: Antriebsarmut, Vitalitätsverlust, Depression, Libidoverlust, erektile Dysfunktion
  • Andere Hormonstörungen: z. B. Hyperprolaktinämie (Erhöhung des milchbildenden Hormons Prolaktin) oder Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion): Störung in der pulsatilen Gonadotropinabgabe (übergeordnete Steuerhormone, die die Testosteronbildung im Hoden steuern), damit wieder Testosteronmangel (s. o.)
  • Erektile Dysfunktion: 80 % organisch, am häufigsten Erkrankungen, die das Herz-Kreislaufsystem betreffen

Hormonelle Therapie der männlichen Dysfunktion

  • Therapie metabolisches Syndrom: Sport, Diät, Gewichtsreduktion
  • Hormonell: Testosteron bei Andropause, z. B. Testogel® oder Tostran®
  • Hyperprolaktinämie / Hypothyreose: symptomatisch, Cabergolin, Bromocriptin, selten chirugisch, L-Thyroxin bei Hypothyreose
  • Erektile Dysfunktion: Phosphodiesterasehemmer (Viagra®, Levitra®)
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