PCO-Syndrom – ein Symptomkomplex

Beim sogenannten PCO-Syndrom handelt es sich um eine Auflistung verschiedener Symptome, dies nennt man in der Medizin ein Syndrom. Es ist die häufigste Hormonstörung bei Frauen, bei der die Eierstöcke eine größere Zahl an kleinen Eibläschen aufweisen. Die Diagnose PCO löst bei vielen Frauen Angst und Schrecken aus. Wir möchten Sie nun aufklären.

Worum handelt es sich beim PCO-Syndrom?

PCO ist die Abkürzung für Polyzystische Ovarien. Das Wort leitet sich vom Lateinischen ab und bedeutet »viele Zysten«. Damit ist ein bestimmtes Aussehen der Eier­stöcke gemeint, an denen sich nämlich eine größere Zahl an kleinen Eibläschen im Vergleich zu »normalen« Eierstöcken aufweisen. Die Übergänge zwischen »normal« und »PCO« sind allerdings fließend. Der Begriff selbst ist unglücklich, denn man denkt sofort an große Zysten oder Tumore. Und solche liegen eben gerade nicht vor. Eine entsprechende Änderung des Begriffs hat sich leider nicht durchgesetzt.

Etwa 5 bis 8 % aller Frauen weltweit sind betroffen. Häufig auftretende Symptome sind Gewichts­probleme, unregelmäßige oder ausbleibende Regel­blutungen wegen eines fehlenden Eisprungs sowie – manchmal – eine Erhöhung von männlichen Hormonen mit Symptomen wie vermehrter Körperbehaarung oder Akne.

Die Diagnose PCO löst bei vielen Frauen Angst und Schrecken aus. Fragen wie »Müssen die Zysten herausgeschnitten werden?«, »Sind meine Eierstöcke krank?« und »Kann ich jemals Kinder haben?« hören wir täglich in unserer Sprechstunde.

Die Behauptung, dass Frauen mit PCO unfruchtbar seien, ist obsolet und muss als falsch bezeichnet werden. Ganz im Gegenteil – sie sind sogar sehr viel länger in ihrem Leben fruchtbar als Frauen ohne PCOS.

Die Symptome des PCO-Syndroms

Das PCO-Syndrom ist ein komplexes Bild mit vielen Facetten. Nur wenige dieser Facetten liegen im jeweiligen Einzelfall vor. Mit anderen Worten: Fast keine Frau hat alle Symptome.

Die Hauptmerkmale des PCO-Syndroms sind:

  • Mehr oder weniger erhöhte männliche Geschlechtshormone im Blut. Symptome können sein: Akne, fettige Haut, vermehrte Körperbehaarung, Ausfall des Kopfhaares.
  • Unregelmäßige Eisprünge (manchmal finden sich über Monate gar keine Eisprünge) und unregelmäßige Regelblutungen.
  • Eine Neigung zu Übergewicht.
  • In seltenen Fällen kommt es zu einer Insulinresistenz, die das Risiko für einen Diabetes mellitus erhöhen kann.

Der Diabetes und die Übergewichtigkeit können dann als Spätfolge das Risiko für Arterienverkalkungen und Bluthochdruck erhöhen.

Die häufigsten hormonellen Befunde beim PCO-Syndrom

Alle nachfolgend genannten Abweichungen der Hormonwerte sind fakultativ, d. h., sie können auftreten, müssen es jedoch nicht!

  • Erhöhte männliche Hormonspiegel
  • Erniedrigtes SHBG (Sexualhormon-bindendes Globulin: Dieses Protein bindet freie Androgene im Blut)
  • Erhöhte AMH-Spiegel (Anti-Müller-Hormon: Das AMH spiegelt die Ovarialreserve wider und ist erhöht, wenn viele Eibläschen vorliegen)
  • Insulin- und IGF-1-Erhöhungen (als Folge einer Erniedrigung des IGF-1-Bindungsproteins – analog zum SHBG)
  • Erhöhung der Leptinspiegel, Erniedrigung der Adiponektin-Spiegel, beides sog. Adipokine (Cytokine, das sind Hormone aus den Fettzellen)
  • Erhöhungen des highsensitive CRP-Spiegels als Folge einer chronischen Entzündungs­reaktion im Rahmen eines möglichen metabolischen Syndroms
  • Ein erhöhtes Auftreten von kardio­vaskulären Risiko­konstellation (Erhöhtes Non-HDL-Cholesterin, erhöhte Triglyceride, erhöhtes Lp(a), häufigeres Auftreten des risikoreicheren LDL-Phänotyps B)
  • Erhöhung des LH-/FSH-Quotienten (Diese LH-/FSH-Erhöhung wird oft als zwingend angesehen, was nicht zutrifft. Es gibt auch PCO-Syndrome mit niedrigem LH-/FSH-Spiegel – insbesondere dann, wenn das Syndrom von einer hypothalamischen Insuffizienz überlagert wird.)

In letzter Zeit wird vermehrt auf den SHBG-Spiegel geachtet, da eine Erniedrigung dieses Bindungsproteins im Blut mit einer ungünstigen Verteilung der Blutfette einhergehen kann.

Die Behandlung des PCO-Syndroms

Es gibt keine Standardbehandlung. Ist die Erhöhung der männlichen Hormone oder die Zyklus­störung das entscheidende Problem, wird häufig eine Antibaby­pille eingesetzt, seit neuesten auch mit dem neuen, natürlichen Östrogen Estetrol (E4). In der jüngeren Forschung wurde Estetrol erst kürzlich als Alternative für andere Östrogene wieder entdeckt. Verschiedene Untersuchungen deuten darauf, dass E4 eventuell Vorteile gegenüber klassischen Östrogenen dahingehend besitzt, dass es kaum negative Wirkungen auf die Brust haben soll. Die Pillengabe dient nämlich auch der Substitution von Östrogenen (wegen des häufig bestehenden Mangels an weiblichen Hormonen) und der Reduzierung der männlichen Hormone (hier wirken die Östrogene als Gegenspieler), häufig in Kombination mit einem speziellen, gegen die männlichen Hormone gerichteten Gestagen.

Bei Übergewicht ist immer eine Gewichts­reduktion sinnvoll. Der Reduktion von Kohlenhydraten – insbesondere Zucker und an allererster Stelle Fruchtzucker (dieser wird direkt in Fette umgewandelt und hat sehr negative metabolische Effekte auf die Zellen) kommt im Rahmen des PCO-Syndroms eine zentrale Bedeutung zu, da Frauen mit dieser Hormonstörung Kohlen­hydrate besonders gut verwerten und in Fett umwandeln können. Zusätzlich hilft die Gabe von Metformin, einem altbewährten Präparat aus der Diabetes­behandlung.

Neuere (experimentelle) Therapieansätze bestehen in der Verordnung von SGLT2-Hemmern. Dabei handelt es sich um Substanzen, die die Glucose­ausscheidung in der Niere fördern. SGLT-2-Hemmer – die Abkürzung steht für Sodium glucose cotransporter 2 – sind Medikamente, die vor allem zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt werden. SGLT-2 ist ein besonderes Eiweiß in der Niere, das normalerweise verhindert, dass Zucker über den Urin verloren geht. Vertreter dieser Medikamenten­gruppe sind Canagliflozin, Dapagliflozin und Empagliflozin.

»Die Diagnose eines PCO-Syndroms ist keine medizinische ›Katastrophe‹ mehr, wie dies früher oft vermittelt wurde. Bei Kinder­wunsch können wir in der überwiegenden Zahl der Fälle mit den beschriebenen Maßnahmen eine Follikel­reifung wiederherstellen.«

PD Dr. med. Hans-Ulrich Pauer

Häufige Fragen und ihre Antworten

Im Folgenden haben wir für Sie einige der häufigsten Fragen in Zusammenhang mit dem PCO-Syndrom zusammengestellt.

Welches sind die häufigsten Fehlurteile in Zusammen­hang mit dem PCO-Syndrom?

Vor- und Fehlurteile gibt es in allen Bereichen des menschlichen Lebens. Allerdings scheinen die über das PCO-Syndrom besonders hartnäckig zu sein. Die häufigsten sind:

  • »Sie werden keine Kinder bekommen können!«
  • »Nehmen Sie einfach Gewicht ab, dann erledigt sich das Ganze von alleine!«
  • »Wenn Sie keine Pille nehmen, können Sie Krebs bekommen!«
  • »Die Zysten müssen operativ entfernt werden!«

Was sind die Ursachen des PCO-Syndroms?

Die genauen Ursachen des PCO-Syndroms sind unklar. Evolutions­biologische Erklärungen gehen davon aus, dass Frauen mit PCO-Syndrom aufgrund ihrer besseren Zucker- und Insulin­sensitivität in Hunger­perioden für eine Eizellreifung und einen Eisprung genug zirkulierende Energie bereitstellen konnten. Darüber hinaus war möglicherweise bei vom PCO-Syndrom betroffenen Frauen die Müttersterblichkeitsrate geringer, weil die aufgrund fehlender Verhütungs­methoden übliche rasche Schwangerschaftsfolge bei ihnen weniger wahrscheinlich war. (Fertil Steril. 2011; 95(5): 1544-1548)

Ein solcher Selektionsvorteil, der in unseren Wohlstands­gesellschaften natürlich keine Rolle mehr spielt, könnte die Weiter­verbreitung des PCO-Syndroms erklären. Beim PCO-Syndrom verstärken sich mehrere Hormon­störungen gegenseitig in einem hormonellen Regelkreis. Eine der endo­krinologischen Grund­konstellationen – möglicher­weise der Anfang des Syndroms – ist die vermehrte Ausschüttung des Hormons LH und eine verminderte Ausschüttung des Hormons FSH aus der Hirnan­hang­drüse. Das LH stimuliert die Bildung männlicher Hormone, aus denen dann in einem zweiten Schritt weibliche Hormone entstehen. Beim PCO-Syndrom führt der basal erhöhte LH-Spiegel zu einer Erhöhung der männlichen Geschlechtshormone. Diese männlichen Hormone werden in weibliche Hormone (Östrogene) umgewandelt (aromatisiert) und entgegen dem normalen Menstruations­zyklus – also azyklisch – abgegeben. Dies stört den normalen Takt der »Frucht­barkeitsuhr« und ist quasi ein sich selbst unterhaltender Prozess.

Durch die kontinuierlich hohen LH-Spiegel im Zyklus werden die Eizellen zu einem zu frühen Zeitpunkt mit dem Hormon LH konfrontiert, das unter anderem für die Auslösung des Eisprungs verantwortlich ist. Sie bleiben unreif – können also nicht zur normalen Größe eines Eibläschens (ca. 25  mm) heranreifen – und es kommt somit seltener zu einem Eisprung und die Monats­blutung bleibt häufiger aus.

Ist ein PCO-Syndrom vererbbar?

Ja. Familienstudien weisen beim PCO-Syndrom auf einen autosomal-dominanten Erbgang hin. Die Genetik des PCO-Syndroms ist allerdings heterogen, das heißt, es sind mehrere Gene bzw. Genorte bekannt (Polymorphismen im CYP11A1, CYP 17 oder Follistatin-Gen u. a.). Die Vererbung findet entsprechend einem autosomal-dominanten Erbgang über Vater und Mutter statt. So hatten 52 % der Mütter, 21 % der Väter und 55 % der Geschwister von PCO-Syndrom-Patientinnen ebenfalls einen PCO-ähnlichen Phänotyp.

Männer leiden entweder an einer zu frühen Glatzen­bildung oder einer vermehrten Behaarung. Eine Studie an Müttern und Töchtern konnte nachweisen, dass fast alle Töchter von Müttern mit PCO-Syndrom ebenfalls das Syndrom geerbt hatten.

Eine aktuelle Arbeit zeigt, dass genetische Veränderungen, die zu einer Änderung der neuroendrinen Hormon­ausschüttung von LH und FSH führen, ursächlich für die Entstehung eines PCO-Syndroms sind.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen PCO-Syndrom und der Schild­drüsen­funktion?

Frauen mit PCO-Syndrom haben häufiger eine latente Hypo­thyreose, also eine leichte (harmlose) Unterfunktion der Schild­drüse. Diese lässt sich unkompliziert mit natürlichen, niedrig dosierten Schilddrüsen­hormonen behandeln.

Was hat Insulin mit dem PCO-Syndrom zu tun?

Die manchmal verringerte Ansprech­barkeit von Insulin auf den Blutzucker­spiegel beim PCO-Syndrom (Insulinresistenz) hat verschiedene Auswirkungen. Insulin­resistenz bedeutet, dass das für die Senkung des Blutzucker­spiegels verantwortliche Insulin sich dem Befehlt widersetzt, Glucose in die Zelle zu transportieren; es lässt sich einfach nicht mehr ansprechen (es ist resistent). Dies hat grundsätzlich nichts mit dem Körper­gewicht zu tun, denn es betrifft auch Schlanke. Da die Glucose nicht in die Zellen (Muskelzelle, Fettzelle, Leberzelle) gelangt, sterben diese Zellen quasi den Hungertod und senden biochemische Not-Signale aus. Daraufhin schüttet die Bauch­speichel­drüse im Emergancy-Modus immer mehr Insulin aus, das aber nicht wirkt: Ein Teufels­kreis. Die Glucose steigt immer weiter und kann nicht mehr verbrannt werden. Folge ist die Fett­speicherung in den Zellen der Organe (Leber, Muskeln, innere Organe). Es entsteht Bauch­fett und ein großer Schaden an Myriaden von Zellen. Die so dauerhaft erhöhten Insulin­spiegel verstärken den bereits bestehenden Überschuss an männlichen Hormonen dadurch, dass Insulin eine LH-ähnliche Aktivität hat und somit die ohnehin schon erhöhten LH-Spiegel weiter triggert. Zu hohe Insulinspiegel wirken sich schädlich auf den Glukose- und Lipidstoff­wechsel sämtlicher Zellen aus und führen zu einer Anreicherung von gesundheits­schädlichem Bauch- und Leberfett mit der Folge einer chronischen Entzündungs­reaktion.

Gibt es neue Therapie­konzepte in der Kinderwunsch­behandlung bei einem PCO-Syndrom?

Das Syndrom der polyzystischen Ovarien ist eine Variation der Norm mit verschiedenen Kennzeichen. Die Diagnose eines PCO-Syndroms ist keine medizinische »Katastrophe« mehr, wie dies früher oft vermittelt wurde.

Bei Kinderwunsch können wir in der überwiegenden Zahl der Fälle mit den nachfolgenden Maß­nahmen eine Follikel­reifung wiederherstellen.

Der positive Einfluss von Metformin wurde von mehreren anerkannten internationalen Studien­gruppen untersucht. Dabei zeigten sich sehr gute Ergebnisse bei der Behandlung des PCO-Syndroms. Es konnte eine Verbesserung der Insulin­resistenz, eine Senkung des LH-Spiegels, eine Erhöhung der SHBG-Synthese, eine Verminderung der Androgene und eine Regulierung des Menstruations­zyklus nachgewiesen werden. Zudem zeigt sich ein überaus günstiger Effekt auf gewichts­reduzierende Maßnahmen. In der Anfangsphase der Metformin-Gabe auftretende Neben­wirkungen wie Völlegefühl, Blähungen und Durchfall sind häufig durch die Nahrungs­zusammen­setzung mitbedingt (fettreich!) und können durch eine einschleichende Dosierung beherrscht werden (»The problem is not the drug but the diet!«).

Der positive Effekt der sogenannten Abnehmspritze (Ozempic, Wegovy) zeigt sich seit neuesten in Form von erhöhten Schwanger­schaftsraten (gewollt und ungewollt). Diverse amerikanische Zeitungen haben darüber berichtet. Wir können dies bestätigen: Der Effekt beruht auf den Effekten des Abnehmens und der darunter statt­findenden Normalisierung der hormonellen Fehlfunktion (insbesondere der Insulinresistenz).

Myo-inositol ist eine Vitamin-B-ähnliche Substanz und führt über die Korrektur des »insulin pathway« zu einer Verbesserung der Insulin­resistenz und damit ebenfalls zu einer Regulierung des Menstruations­zyklus. Die Regulierung des Menstruations­zyklus, d. h., dass wieder eine Eizellreifung im Eierstock stattfindet, ist die Voraussetzung für die Verbesserung der spontanen Schwanger­schaftsrate. Darüber hinaus ist anzumerken, dass es aktuelle Studien gibt, die nachweisen konnten, dass es unter Myo-Inositol zu einer Verbesserung der Eizell-Qualität im Rahmen der IVF Behandlung kommt.

Clomifen ist bei Kinderwunsch ein seit Jahrzehnten bewährtes und bestens erforschtes Medikament zur Herbei­führung einer Eizellreifung. Wir setzten dieses Medikament in einer extrem niedrigen Dosis ein, wodurch sich sehr gute Schwangerschafts­raten bei nur geringfügigen Mehrlings­raten ergeben. Tatsächlich lässt sich Clomifen so dosieren, dass man Verhältnisse wie in einem normalen Zyklus mit nur einem Follikel erhält. Neben­wirkungen in Form von Hitze­wallungen und passagerem Augen-Flimmern treten in dieser niedrigen Dosis auch deutlich seltener auf.

Die hochgelobten Aromatase-Inhibitoren wie z. B. Letrozol liefern bei uns niedrigere Schwanger­schafts­raten als Clomifen. Dies liegt vermutlich an der von uns verwendeten, individualisierten Niedrigdosis.

Wenn Sie mehr wissen möchten …

Das PCO-Syndrom.
Ein Faszinosum der Evolution.

Das PCO-Syndrom (Abkürzung für Poly­zystische Ovarien) ist die häufigste Hormon­störung bei Frauen. Dabei handelt es sich um eine Beschreibung von verschiedenen möglichen Symptomen wie Gewichts­probleme, unregelmäßige oder ausbleibende Regel­blutungen sowie – manchmal – eine Erhöhung von männlichen Hormonen. Diese Broschüre gibt Ihnen Aufschluss über Ursache, Symptome, Behandlungs­möglich­keiten und neueste Therapiekonzepte.

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